Eine interessante Möglichkeit, weitere Beispiele zu generieren, ist etwas komplizierter, aber häufig ein guter Ansatz. Es hat ferner etwas mit freien Konstruktionen zu tun.
Um den Begriff und die Idee zu klären, vielleicht erinnerst Du dich an den folgenden Fakt aus der linearen Algebra: Wenn du eine lineare Abbildung zwischen zwei Vektorräumen \(f:V\to W\) konstruieren möchtest, dann ist das, wenn du eine Basis \(\mathcal{B}\) fix hast, das selbe wie eine Abbildung zwischen Mengen \(f:\mathcal{B}\to W\). Aus jeder linearen Abbildung bekommst du so eine Funktion durch Einschränkung, und umgekehrt wenn du eine Abbildung \(f:\mathcal{B}\to W\) hast, bekommt du eine eindeutige dazu passende lineare Abbildung \(V\to W\). So etwas nennt sich eine freie Konstruktion bzw. \(V\) ist der freie Vektorraum über \(\mathcal{B}\). Frei bedeutet in dem Sinne, dass du die Funktionswerte der Basisvektoren unabhängig voneinander und frei wählen darfst. Dass jeder Vektorraum frei über seiner Basis ist, gilt offensichtlich, ist aber ein tiefgehendes Konzept.
Wir versuchen jetzt, \(\mathbb{R}\) in Klassen aufzuteilen, sodass du wie bei einer freien Konstruktion in jeder Klasse eine unabhängige Wahl von Funktionswert hast, und dann der Rest deiner Abbildung vollständig bestimmt ist.
Dazu wählen wir uns die Äquivalenzrelation \(\sim\) auf \(\mathbb{R}\) definiert durch \(x\sim y\) genau dann, wenn \(x=y\cdot 2^k\) für ein \(k\in\mathbb{Z}\). Du kannst leicht prüfen, dass es sich hierbei um eine Äquivalenzrelation handelt. Wir bezeichnen mit \(S=(\mathbb{R}/\sim)\) die Menge der Äquivalenzklassen. Eine Äquivalenzklasse ist z.B. \(\{1,0.5,2,0.25,4,0.125,8,\ldots\}\).
Ich wähle mir jetzt mittels des Auswahlaxioms eine Menge \(M\) von Repräsentanten von \(S\). Meine Behauptung ist jetzt, dass die Abbildungen \(\mathbb{R}\to\mathbb{R}\), die deine Gleichung erfüllen, in Bijektion stehen mit Abbildungen \(M\to \mathbb{R}\). Im Prinzip genau so, wie du es aus der linearen Algebra kennst. Für jedes \(f:\mathbb{R}\to\mathbb{R}\) nimmst du in die eine Richtung einfach die Einschränkung auf \(M\), und umgekehrt wenn du eine Funktion \(f:M\to\mathbb{R}\) hast, kannst du sie auf ganz \(\mathbb{R}\) folgendermaßen erweitern:
Sei \(f:M\to\mathbb{R}\) beliebig und sei \(m\in M\) beliebig. Jetzt kannst du induktiv von \(m\) ausgehend mittels der Wahl von \(f(m)\) deine Funktion ausweiten und bekommst mittels deiner Funktionalgleichung einen eindeutigen Wert für \(f(m/2),f(2m),f(m/4),f(4m)\) und so weiter. Damit erweiterst du den Definitionsbereich von \(f\) um die gesamte Äquivalenzklasse von \(m\). Das machst du für jedes \(m\) und erweiterst so den Definitionsbereich von \(f\) auf ganz \(\mathbb{R}\). Die resultierende Funktion ist wohldefiniert, da es für jedes \(x\) ein eindeutiges \(m\in M\) gibt mit \(x=m\cdot 2^k\) für ein \(k\in\mathbb{Z}\). Außerdem erfüllt deine Funktion die gegebene Funktionalgleichung nach Konstruktion: Auf jeder "Constraint" (das bedeutet: jedes explizite Prüfen der Gleichung für ein gegebenes \(x\)) geschieht nur innerhalb einer Äquivalenzklasse, wo wir induktiv das Gelten der Gleichung forciert haben. Damit haben wir unsere freie Konstruktion bewiesen.
Jetzt weißt du erstens, dass es sehr viele Beispiele für deine Funktionalgleichung gibt - genau so viele, wie es Funktionen \(M\to\mathbb{R}\) gibt, und \(M\) ist überabzählbar, da jede Klasse abzählbar ist.
Zweitens weißt du, dass ich von einer Bijektion geredet habe, das bedeutet diese Konstruktion enthält JEDES Beispiel für deine Funktionalgleichung.
Drittens ist diese Konstruktion sehr abhängig davon, dass du beliebige Funktionen \(\mathbb{R}\to\mathbb{R}\) erlaubst. Für stetige, differenzierbare, sonstwie analytisch-interessante Funktionen würde diese algebraische Konstruktion keinen Sinn machen. Die allermeisten Funktionen, die hier herauskommen, sind sehr weit davon entfernt, stetig oder auf irgendeine Weise überhaupt sinnvoll vorstellbar zu sein.
Ferner: Wenn deine Aufgabe solche ungenannten Einschränkungen gehabt hätte, dass das Wort "eindeutigen" in deiner Frage richtig gewesen wäre, dann würde dieser gesamte Ansatz nicht anwendbar sein. Gleichungen, die so eingeschränkt sind, dass es nur eine Lösung gibt, sind ja das genaue Gegenteil vom Konzept, Werte zu finden, die du frei wählen darfst, die dann deine Funktion bestimmen. Das erklärt vielleicht die Rückfrage.