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Unter https://www.deutschlandfunk.de/digitale-analphabeten-warum-schueler-in-deutschland-auf.724.de.html?dram:article_id=469899&utm_source=pocket-newtab findet man:

Projektstunde am Manfred-von-Ardenne Gymnasium in Berlin Lichtenberg. Lehrerin Beate Schönefeld hat sich zu ihren Schülern hinten in den Klassenraum gesetzt – am Lehrerpult sitzt heute der Radio-Journalist Timo Stukenberg. Er will die 14- bis 15-jährigen Schülerinnen und Schüler an diesem Januarmorgen für die kritische Auseinandersetzung mit Meldungen aus dem Netz sensibilisieren. Sie sollen lernen, Fakten von Fakenews zu unterscheiden.
[…]
90 Minuten lang arbeitet Stukenberg heute mit den Schülerinnen und Schülern zusammen. Es dürften die einzigen 90 Minuten Medienunterricht in diesem Schuljahr bleiben – auch für die Lehrerin sind viele Informationen ziemlich neu.
[…]
Medienkunde spielt in Deutschlands Schulen kaum eine Rolle. Zwar hat die Kultusministerkonferenz schon vor drei Jahren eine Strategie zur „Bildung in der digitalen Welt“ beschlossen. Doch diese Strategie sieht lediglich bestimmte Kompetenzen vor. Dort heißt es: „Die Entwicklung und das Erwerben der notwendigen Kompetenzen für ein Leben in einer digitalen Welt gehen über notwendige informatische Grundkenntnisse weit hinaus und betreffen alle Unterrichtsfächer.“

Der Satz mit der größten Bedeutung für die Bildung der jungen Generation geht hier etwas unter:

„Medienkunde spielt in Deutschlands Schulen kaum eine Rolle.“

Der Erwerb von informatischen Grundkenntnissen wird zwar - mit Recht -  für notwendig erachtet, aber jeder Hinweis auf mögliche Nebenwirkungen wird von der Lobbyarbeit der mächtigen Computerindustrie erfolgreich bekämpft.

Ich hatte bereits an anderer Stelle geschrieben:

Wer fragt, wohin die Reise geht und zu welchem Zweck, gilt als Querulant und Reaktionär.

Es ist keineswegs Konsens, dass die Digitalisierung dem Menschen dient, indem sie dessen Selbstbestimmung ermöglicht und unterstützt. Wäre es so, dann […] würde [man] die jungen Menschen zur eigenen Entscheidung ermutigen.

Das Gegenteil ist der Fall: Mitmachen, einreihen, Klappe halten – das ist die Art und Weise, wie Digitales uns entgegentritt. Die Digitalisierung ist mittlerweile ein ideologisches Konzept geworden.

In Wahrheit geht es der Bildungspolitik gar nicht um einen gebildeten Umgang mit digitalen Werkzeugen (ohne den Bildung heute unvollständig bliebe), sondern um Zuarbeit zur Computerindustrie.

An wiederum anderer Stelle hatte ich beschrieben, wie unglaublich nützlich digitale Werkzeuge im Mathematikunterricht sein können und in welcher lächerlich vordergründigen Weise diese tatsächlich genutzt werden. Leider bin ich da nicht ganz verstanden worden (siehe Kommentare und Gegenkommentare). Auch ist es mir bisher nicht gelungen, den Unterschied zwischen „Rechnen im Rahmen einer Problemlösung“ und „Rechnenlernen im Zusammenhang mit Mathematiklernen“ zu verdeutlichen. Deshalb noch einmal:

Ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass Rechenautomaten das Leben aller Mathematiktreibenden gewaltig erleichtern können. Aber das Rechnen selbst müsste im Prinzip – nicht in jedem Einzelfall – weiterhin beherrscht werden. Ist es doch im Kern genau so aufgebaut, wie das ganze Gebäude der Mathematik und dessen angemessener Erwerb: Muster und Gesetze werden erkannt, neue Sätze und Verfahren werden auf alte zurückgeführt. Aber wenn uns Automaten ständig und ausnahmslos alles – sogar die Nutzung unseres eigenen Gehirns – abnehmen, bleibt mit der Übung auch die Beherrschung des Rechnens auf der Strecke und damit ein gutes Stück Mathematik in ihrer elementarsten Form.

Warum ist es so schwer, sich in Fragen der Risiken und Nebenwirkungen des Digitalen verständlich zu machen?

Hier greifen zwei Gründe ineinander: Einerseits der unbestrittene und wichtige Vorteil digitaler Werkzeuge in allen Lebensbereichen und andererseits die Geschäftsinteressen der Hersteller dieser Werkzeuge. Die Geschäftsinteressen sind legitim, was für die Lobbyarbeit in den Regierungen nicht immer gilt. Ganz und gar unverständlich bleibt, warum Bildungspolitik sich lieber an wirtschaftlichen Interessen orientiert als an Erkenntnissen der Wissenschaft.

geschlossen: Wissensartikel
von Roland
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