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Ich habe eine Pädagogik-Frage an euch: Ich gestalte gerade einen Kurses für das kommende Wintersemester und habe dazu eine neue Idee. Bei der Planung, welche Themen jede Woche besprochen werden, dachte ich, könnte ich genauso gut alle Hausaufgaben tabellarisch aufzeigen. Also zu Beginn, bevor das Semester beginnt.

Ich habe vor, jeder Woche eine Aufgabe zuzuordnen mit bestimmtem Abgabedatum/Frist. Die Studenten sind verpflichtet, die benannten Probleme zu diesem Zeitpunkt zu lösen.

Mögliche Vorteile für Studenten aus meiner Sicht:

- sie können den Inhalt des gesamten Kurs überblicken, mehr als nur eine Liste der Themen / Lehrplan
- sie könnten mehr motiviert sein, sich im Kurs zu engagieren, da sie die Art der Probleme kennenlernen, die sie später selbst lösen können
- sie können sich schon vorab mit Problemen befassen, was den Zeitdruck bei zukünftigen Stoßzeiten des Semesters vermindert
- sie können ihr eigenes Tempo bestimmen, anstatt jede Woche auf die Freigabe der Probleme zu warten

Mögliche Nachteile für Studenten aus meiner Sicht:

- sie sehen Probleme, die ohne das Wissen schwierig erscheinen
- sie sehen viele Probleme, auf die sie stoßen werden und das könnte sie entmutigen
- sie könnten das Gefühl bekommen, die Standards sind zu hoch
- einige Studenten könnten aus einem aktuellen Thema des Kurses durch die Arbeit an späteren Probleme abgelenkt sein

Mögliche Vorteile für mich als Dozenten:

- während ein Thema im Kurs besprochen wird, kann ich auf bestimmte Probleme hinweisen, die sie bereits jetzt mit dem aktuellen Wissen lösen können
- ich erwarte mehr Arbeitszeiten im Büro, da mich mehr Studenten besuchen werden, um über Probleme zu sprechen, da sie schneller erkennen, dass sie Hilfe benötigen
- ich werde einen festen Zeitplan haben und kann dies als Hilfe verwenden, um das gewünschte Tempo des Kurses einzuhalten.

Mögliche Nachteile für mich als Dozenten:

- Vielleicht ist eine solch starrer Zeitplan zu restriktiv und Veränderungen am Zeitplan des Kurses können schwierig umzusetzen sein. Insbesondere, wenn ein Student bereits mit einem Problem begonnen hat, das dann doch nicht besprochen wird.
- Könnte dies zu mehr Verwirrung bei den Studenten führen?
- Es könnte schwierig sein, Schüler bei der Sache zu halten, wenn sie am aktuellen Thema nicht interessiert sind.

Hauptfragen:

- Lohnt es sich, die Hausarbeiten vorab zur Verfügung zu stellen?
- Hat jemand persönliche Erfahrungen damit? Wie ist es gelaufen? Welche Vorschläge habt ihr?
- Falls Gründe dagegen sprechen, welche? Was sind die wichtigsten Nachteile, die etwaige Vorteile überwiegen?
- Auch wenn ihr nicht über direkte Erfahrung verfügt, habt ihr vielleicht Vorschläge zu meinen Ideen?

Ich plane dies übrigens für eine Einführung in die Kombinatorik und Graphentheorie, meist 3. und 4. Studienjahr. Vielleicht ist dies zu berücksichtigen, es ist jedoch keine Voraussetzung für eine Antwort.

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Ich organisiere meine Kurse immer komplett, also von vornherein steht fest, was wann herankommt.

Die sich daraus ergebenden Vorteile sind:

1. Der Kursplan hält mich und meine Studenten auf Kurs. Im Semester ist stets viel los, es ist schön, eine Übersicht zu haben, wo alles von vornherein feststeht. Ich kann jederzeit sagen, wenn Studenten auf mich zukommen, dass sie auf meinen Kursplan schauen sollen. Dieser Plan unterscheidet sich übrigens vom Lehrplan der Hochschulen, die meist mit nutzlosen Informationen gefüllt sind, die keinem helfen. Mein Kursplan ist in der Regel 2 Seiten lang und enthält eine Tabelle mit den Themen je Tag inklusive Hinweisen, welche Text zu lesen sind, einige Notizen und kommende Aufgaben.

2. Wenn die Prüfungszeit kommt, wissen sie bereits, welche Themen die Prüfung enthalten wird. Sie wissen genau, auf was sie sich vorzubereiten haben. Es kommt kein "Das hatten wir noch nie gehabt." Falls einige Studenten gefehlt hatten, abwesend waren, ist es nicht von Bedeutung. Sie wissen, was sie nachzuholen haben. Es ist ja alles schriftlich festgehalten und sie finden so keine Entschuldigung.

3. Organisation des Kurses. Wenn du den gesamten Kurs in einer Sitzung organisierst, wird es wahrscheinlich mehr Kontinuität für alle geben. Zumindest ist das für mich der Fall. Für andere, könnte es wiederum keine Rolle spielen.

4. Die Studenten können vorlernen - obwohl dies eher selten vorkommt. Aber im Prinzip hat jeder Student die Chance, sich mit den Themen früher zu beschäftigen und auch die Hausaufgaben früher vorzubereiten, das würde theoretisch Zeit am Ende des Semesters freimachen.

5. Lösungen sind bereits online verfügbar. Es spielt keine Rolle, ob man die Hausarbeiten eine Woche oder 12 Wochen vorher abgibt, die Lösungs-PDF ist leicht online zu finden oder man kann die Fragen online stellen, wie wir wissen, ist dies hier auf der Mathelounge.de oft der Fall. Lustigerweise haben meine Kollegen das gleiche Problem mit Textaufgaben aus Lehrbüchern, die nicht online verfügbar sind. Für Problemstellungen, die ich kursbegleitend vorgebe, liegt der Fokus auf Gruppenarbeit. Ich ermutige die Studenten zusammenzuarbeiten, aber bestehe darauf, dass sie ihre eigene Lösungen aufschreiben.

In vielen Kursen hat sich die Idee des sich "entfaltenden Fortschritts" etabliert. Doch aus Sicht des Studenten könnte dies unvorteilhaft sein. Kann ich ein klar definiertes Ziel selbst erreichen oder gehe ich bei einer Bergbesteigung erst den halben Weg, bevor mir jemand sagt, wie ich den Rest zu klettern habe? Die Studenten werden deine Ehrlichkeit respektieren und die harte Arbeit dahinter anerkennen.

Noch ein paar Worte der Vorsicht:
- notiere das Wort "vorläufig" neben deinem Kursplan, falls es doch noch Änderungen geben sollte.
- wenn die Prüfungszeit kommt, höre auf dein Gefühl. Studenten beklagen sich selten, wenn man eine Klausur um eine Woche nach hinten verschiebt und noch etwas Material bespricht.

Hier ist ein Beispiel eines englischen Kursplanes eines Kollegen: math334PlannerSpring2014.pdf (40 kb)
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- sie können den Inhalt des gesamten Kurs überblicken, mehr als nur eine Liste der Themen / Lehrplan 

Gibt es kein anständiges Skript oder Buch zu dem Thema ? Schüler dürfen sich gerne anhand eines Skriptes oder eines Buches über den gesamten Verlauf des Kurses informieren.

In vielen Büchern sind zudem auch schon Aufgaben enthalten. D.h. wenn Schüler vorarbeiten wollen dürfen sie das gerne tun. Allerdings sollten sie dabei Theorie und Praxis nachsehen. Nur die Praxisaufgaben ohne die nötige Theorie ist ja sehr witzlos.

Das verleitet die armen Studenten nur die ganzen Aufgaben auf so einer Seite wie dieser hier reinzustellen, damit sie sich die Theorie nicht erarbeiten müssen sondern nur die Aufgaben gelöst bekommen.

Ich finde das Konzept von Jörn Loviscach sehr vorbildlich.

http://www.j3l7h.de/videos.html

Er gibt den Schülern eigentlich schon die komplette Vorlesung an die Hand und KEINE Übungsaufgaben. Die Übungsaufgaben gibt es dann direkt in der Vorlesung. Das hat den Vorteil das er schon direkt in der Vorlesung besser auf die Fragen und Probleme der Studenten eingehen kann.

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