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Aufgabe:


Problem/Ansatz:

Kann man die Funktion f : R\{0} → R : x → sin(x)/x stetig in 0 fortsetzen? Kann die stetige Forsetzung
dann auch differenzierbar auf R sein?

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Hallo Mohammad,

Kann man die Funktion f : R\{0} → R : x → sin(x)/x stetig in 0 fortsetzen?

Ja - das ist möglich. Schau Dir dazu die Talorentwicklung von \(\sin(x)\) an: $$\sin(x) = x - \frac {x^3}{6} + \frac {x^5}{120} - \dots$$jeder Summand enthält einen Term mit \(x\). Folglich ist es kein Problem, diesen Ausdruck durch \(x\) zu dividieren:$$\frac {\sin(x)}x = 1 - \frac {x^2}{6} + \frac {x^4}{120} - \dots$$Zur Anschauung nochmal der Plot:

~plot~ 1-x^2/6+x^4/120;sin(x)/x;[[-4|4|-2|3]] ~plot~

Der blaue Graph zeigt die Taylorentwicklung bis zum 3.Glied und der rote Graph ist der Graph von \(\sin(x)/x\). Augenscheinlich gibt es bei \(x=0\) keine Probleme.


Kann die stetige Forsetzung dann auch differenzierbar auf R sein?

rein formal ist die Ableitung$$\frac {\partial}{\partial x} \frac{\sin(x)}{x} = \frac{x\cos(x) - \sin(x)}{x^2}$$ für \(x=0\) würde man einen undefinierten Ausdruck wie $$\frac {\partial}{\partial x} \frac{\sin(0)}{0} = \frac 00 - \frac 00 = \, ?$$ vorfinden. Aber auch hier hilft der Blick auf die Taylorentwicklung, die nach dem Ableiten eine 'harmlose' Funktion bleibt, die auch in \(x=0\) stetig ist.

... oder Du berechnest den Wert für \(f'(0)\) nach der Regel von l'Hospital:$$\begin{aligned}f'(x=0)&= \lim_{x \to 0}\frac{x\cos(x) - \sin(x)}{x^2} \\ &= \lim_{x \to 0}\frac{ \cos(x) - x\sin(x) - \cos(x)}{2x} \\ &= \lim_{x \to 0}\frac{  - \sin(x) }{2} \\ &= 0 \end{aligned}$$

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Deine Formulierung   Schau Dir dazu die Talorentwicklung von sin(x) an   lässt vermuten, dass für dich die Sinusfunktion vor ihrer Potenzreihe da war  (man kann ja auch umgekehrt die Sinusfunktion durch die Reihe definieren).  In diesem Fall kommt es aber entscheidend darauf an, wie die Sinusfunktion definiert wurde, denn viele der klassischen Methoden setzen die Kenntnis des Grenzwertes sin(x) / x  voraus, um die Ableitung  sin'(x) = cos(x)  herzuleiten. In diesem Fall enthielte deine Antwort einen Zirkelschluss.

.. dieser Gedanke ist mir auch schon gekommen! Und rein anschaulich ist es mir auch völlig einleuchtend, dass schon aus der Definition des Sinus folgt, dass \(\sin(x)/x=1\)  ist - bloß, wie schreibe ich das formal hin?

Wenn man sich die Definition im Wiki-Artikel anschaut, so wird u.a. die Potenzreihe (und damit die Taylorentwicklung!) als Definition angenommen. Als Alternative ist eine Definition beschrieben, die voraussetzt(!), dass \(\sin(x)/x=1\) sein muss, sonst ist es kein Sinus.

Haben wir hier jetzt ein Henne-Ei-Problem?

Bleibt noch die analytische Definition des Sinus über die Bogenlänge, was der geometrischen Definition IMHO am nächsten kommt.

@hj: was schlägst Du vor?

Klassisch durch Flächenbetrachtungen am Einheitskreis und Anwenden des Sandwich-Theorems :

Sinus.png

A (Dreieck OAC) < A (Sektor OBC) < Fläche (Dreieck OBD)
cos(x)*sin(x) / 2  <  x*1^2 / 2  <  1*tan(x) / 2   |  * 2/sin(x)
cos(x)  <  x / sin(x)  <  1 / cos(x)                   |  Kehrwert  |  Grenzwert

1 ≥  lim  sin(x) / x  ≥  1 .


PS :  Was hältst du von der Sinus-Definition als Umkehrung (und periodische Fortsetzung) der durch ein Integral definierten arcsin-Funktion oder als Lösung der Differentialgleichung  f'' + f = 0 mit Anfangsbedingungen ?

Was hältst du von der ...

Was ich davon halte? Nun - ich finde es faszinierend, wie augenscheinlich verschiedenste Aufgabenstellungen zu einem relativ einfachen und identischen Ergebnis führen. Aber das wolltest Du gar nicht wissen. Du wolltest wissen in weit sich diese Ansätze dazu eignen, zu zeigen, dass \(\sin(0)/0 = 1\) wird.

Die DGL \(f''+f=0\) ist IMHO ungeeignet. Damit die Lösung \(f=\sin(x)\) heraus kommt, ist die Anfangsbedingung \(f(0)=0\) und \(f'(0)=1\) notwendig. Nun ist aber$$f'(x_0) = \lim_{x \to x_0} \frac{f(x-x_0) - f(x_0)}{x-x_0} $$Also für \(x_0=0\) und \(f=\sin(x)\)$$f'(x_0=0) = \lim_{x \to 0} \frac{\sin(x)}{x} $$Und dieser Ausdruck muss lt. Anfangsbedingung \(=1\) sein. D.h. \(\sin(0)/0 = 1\) ist in diesem Fall eine Voraussetzung und kein Ergebnis.

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