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Hi liebe Leute, ich hab gröbste Probleme beim Verständnis einer Aufgabe, sie lautet wie folgt: Sei (X,d) ein metrischer Raum. Geben Sie eine Bedingung an, unter der die Borel-Sigmaalgebra von X von einem abzählbaren Erzeugendensystem erzeugt wird und geben sie ein solches an.


So Sigma Algebren sind denk ich halbwegs klar, das sind Mengensysteme, die die drei charakterisierenden Eigenschaften dafür erfüllen müssen (also leere Menge drinnen, aus A drinnen folgt A Komplement drinnen, und die Vereinigung ist auch drinnen). Wenn ich das richtig verstanden habe, handelt es sich bei einem Erzeugendensystem von Borel-Sigmaalgebren um offene Mengen (oder aufgrund Eigenschaften 2 auch um abgeschlossene). Jetzt wurde uns in der Vorlesung gesagt, die Standardmenge, wo man eine Borel-Sigmaalgebra definieren könnte wären die reellen Zahlen. Nur jetzt weiß ich nicht wirklich, wie ich weitermachen soll, welche Bedingung kann da in der Aufgabenstellung gemeint sein?

Kann mir jemand wenn's geht auf die Sprünge helfen?

LG und danke Mathstiger

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Nimm mal alle offenen Mengen in \(\mathbb{R}\) und bilde die von denen erzeugte \(\sigma\)-Algebra. Das ergibt ja dann die borelsche \(\sigma\)-Algebra \(\mathcal B\) ueber \(\mathbb{R}\).

Jetzt nimm mal alle offenen Intervalle in \(\mathbb{R}\), die rationale Endpunkte haben. Welche \(\sigma\)-Algebra wird von denen erzeugt?

Naja man kann ja im Allgemeinen jede beliebige reelle Zahl durch eine rationale Zahl approximieren oder? Dann ist jedes offene Intervall in R eine abzählbare Vereinigung offener Intervalle mit rationalen Eckpunkten. Es gibt aber nur abzählbar viele rationale Intervalle und daher ist das ein abzählbares Mengensystem, welches auch die Borel-Mengen erzeugt in ℝ. Wäre das ein Beispiel?

Wenn ja bleibt nur noch die Frage mit der Bedingung, kann es sein, dass auf diesem Raum "abzählbar" überhaupt definiert sein muss oder doch was anderes?

LG Mathstiger

Deine Begruendung, warum man jede offene Menge in \(\mathbb{R}\) als abzaehlbare Vereinigung von offenen Intervallen mit rationalen Endpunkten darstellen kann, koennte praeziser sein.

Jedenfalls ist dieses Beispiel eine Blaupause für die Lösung der Aufgabe. Was soll \(X\) haben? Und was nimmt man dann konkret als abzaehlbaren Erzeuger von \({\mathcal B}(X)\) ?

Zur Begründung von: Jede offene Menge in ℝ kann man als abzählbare Vereinigung von offenen Intervallen mit rationalen Endpunkten darstellen kann.

Betrachten wir das Intervall (a,b) da Q dicht in R liegt, gibt es Folgen a_i, b_i von rationalen Zahlen welche von oben gegen a und von unten gegen b konvergieren. Es gilt dann: (a,b) = Vereinigung von i=1 bis ∞ (a_i, b_i). Man kann damit also jedes offene Intervall als Vereinigung von offenen Intervallen mit rationalen Endpunkten schreiben. Und da es nur abzählbar viele rationale Zahlen gibt, ist diese Vereinigung abzählbar.

Gut dann würde ich als Beispiel für ein Erzeugendensystem wohl die Menge aller offenen Intervalle in ℝ nehmen, die rationale Endpunkte besitzen.

Zur Frage was X haben muss: Naja die Erkenntnis, dass das als Beispiel gebrachte Erzeugendensystem abzählbar, die ganze Borel-Sigmaalgebra erzeugt, fußt doch drauf, dass es in diesem metrischen Raum konvergierende Folgen von Elementen gibt oder?

LG Mathstiger

Offene Mengen sind etwas mehr als offene Intervalle. Alle offenen Mengen sollen sich in der angegebenen Art schreiben lassen. Denn per Definition ist \({\mathcal B}(X)\) nun mal die von allen offenen Mengen in \(X\) erzeugte \(\sigma\)-Algebra.

Jedenfalls: In \(\mathbb{R}\) gibt es \(\mathbb{Q}\) und das ist abzaehlbar und dicht da. Fordere etwas Entsprechendes für dein allgemeines \(X\) und finde dann ein Analogon zu den offenen Intervallen mit rationalen Endpunkten. Du sollst ja ein abzaehlbares Erzeugendensystem für \({\mathcal B}(X)\) explizit angeben, wenn \(X\) Deine Forderung erfuellt.

Gut kann ich dann von X einfach die Existenz von abzählbaren offene Teilmenge als Voraussetzung fordern? Nur was ist das Analogon zu den offenen Intervallen mit rationalen Endpunkten? Sind das einfach diese offenen Teilmengen, die ich fordere, die dann zusammen in abzählbarer Vereinigung X ergeben?

Bitte um Antwort,

Mathstiger

Du kannst fordern, was Du willst. Die Aufgabe ist "offen". Um sie zu loesen, musst Du allerdings folgern koennen, dass \({\mathcal B}(X)\) endlich erzeugt wird und das Erzeugendensystem auch angeben. Das ist der Probierstein für jede Idee.

kann ich dann von X einfach die Existenz von abzählbaren offene Teilmenge als Voraussetzung fordern?

Da versteh ich schon den Satz nicht.

Mein Vorschlag steht oben. Verlange, dass \(X\) eine dichte Teilmenge \(A\) hat, die ausserdem noch abzaehlbar ist. \(A\) soll für \(X\) sein, was \(\mathbb{Q}\) für \(\mathbb{R}\) im angedeuteten Besipiel ist. Statt der offenen Intervalle mit rationalen Endpunkten wuerde ich offene Kugeln mit Mittelpunkt aus \(A\) und Radius aus \(\mathbb{Q}^+\) waehlen. Den Beweis musst Du selber ausfuehren. Am besten Du studierst zuerst den Fall von \(\mathcal{B}(\mathbb{R})\) mit den rationalen Intervallen mal ganz genau und im Detail und versuchst, das in einem zweiten Schritt zu uebertragen.

Oke ich verlange also, dass X eine dichte Teilmenge A hat, die außerdem noch abzählbar ist. Und ich wähle offene Kugeln mit Mittelpunkt in A und Radius Q+. Da A dicht ist, lässt sich jeder Punkt aus X beliebig genau approximieren, durch eine geeignete Folge von Radien. Weiters ist die Vereinigung von offenen Mengen wieder offen ist.

Also nehme ich eine Folge von Kugeln mit Radius aus Q+, die gegen zwei Punkte aus X konvergieren. Davon gibt es aber nur abzählbar viele, da es nur abzählbar viele Radien gibt und A abzählbar ist.

Nach einem Satz weiß ich, dass die Vereinigung von abzählbar vielen abzählbaren Mengen wieder abzählbar ist. Dies kann ich hier anwenden und bekomme eine offene Menge (im Beispiel, das offene Intervall in R), die abzählbar ist. Das mach ich solange, nämlich abzählbar oft, und vereinige alle "Intervalle", bis ich die ganze Menge X zusammenbekomme. Diese muss nach erwähnten Satz oben wieder abzählbar sein.

Ich fürchte das stimmt nicht wirklich ganz. Bitte um Rückmeldung.

Mathstiger

Mir scheint, Du hast hier wenig bis gar nichts verstanden. Irgendwie deprimierend. Weder \(\mathbb{R}\) noch \(\mathcal{B}=\mathcal{B}(\mathbb{R})\) ist abzaehlbar. Auch sind die Intervalle \((a,b)\) mit \(a,b\in\mathbb{Q}\) nicht abzaehlbar. Da sind schliesslich alle reellen Zahlen zwischen \(a\) und \(b\) drin. Abzaehlbar ist hingegen die Menge \(\mathcal{E}=\{(a,b)\mid a,b\in\mathbb{Q}\}\). Und das ist jetzt der Witz, weil naemlich schon \(\mathcal{B}=\sigma(\mathcal{E})\) gilt. Eigentlich ist ja \(\mathcal{B}=\sigma(\mathcal{O})\) definiert, wobei \(\mathcal{O}\) die Menge aller offenen Mengen in \(\mathbb{R}\) ist. Und \(\mathcal{O}\) ist nicht abzaehlbar.

Fangen wir mal klein an:

- Warum ist \(\mathcal{O}\) nicht abzaehlbar, aber \(\mathcal{E}\) schon?

- Wie koennten wir \(\sigma(\mathcal{O})=\sigma(\mathcal{E})\) zeigen?

O ist nicht abzählbar, weil die Endpunkte  jeder offenen Menge reelle Zahlen sind und diese überabzählbar sind, folglich gibt es auch überabzählbar viele offene Intervalle

E ist hingegen sehr wohl abzählbar, weil die Endpunkte rationale Zahlen sind, diese dicht in R liegen und abzählbar sind(das heißt es gibt nur abzählbar viele Intervalle).

σ(O)=σ(E) zeigt man über die Teilmengenrelation. Sprich σ(O)⊂σ(E) und umgekehrt

E ist hingegen sehr wohl abzählbar, weil die Endpunkte rationale Zahlen sind, diese dicht in R liegen und abzählbar sind(das heißt es gibt nur abzählbar viele Intervalle).

Was spielt es da für eine Rolle, dass die rationalen Zahlen dicht in den reellen liegen? Das wird an dieser Stelle ueberhaupt nicht gebraucht.

σ(O)=σ(E) zeigt man über die Teilmengenrelation. Sprich σ(O)⊂σ(E) und umgekehrt

Da E ⊂ O, ist σ(E) ⊂ σ(O) klar.

Die andere Richtung ist die entscheidende. O ⊂ σ(E) waere für die andere Richtung zu gebrauchen, weil dann σ(O) ⊂ σ(σ(E)) = σ(E) folgt. Dazu wuerde man eben beweisen: Jede offene Menge ist als abzaehlbare Vereinigung von offenen Intervallen mit rationalen Endpunkten darstellbar. An dieser Stelle wird gebraucht, dass die rationalen Zahlen dicht in den reellen liegen.

Aussage: Jede offene Menge ist als abzählbare Vereinigung von offenen Intervallen mit rationalen Endpunkten darstellbar

Beweis: Betrachte das intervall (a,b), da Q dicht in R liegt, gibt es folgen a_i, b_i von rationalen zahlen welche gegen a (von oben) respektive b (von unten) konvergieren. Es gilt: (a,b) = Vereinigung von i=1 bis oo, (a_i, b_i). Man kann also jedes offene Intervall als Vereinigung von offenen Intervallen mit rationalen Endpunkten schreiben. Daraus folgt dass man jede offene Menge als Vereinigung von Intervallen mit rationalen Endpunkten schreiben kann, wovon es nur abzählbar viele gibt.

Und seit wann ist jede offene Menge in ℝ ein offenes Intervall?

Da hast du natürlich Recht, das ist ein Blödsinn. Ich starte einen neuen Beweisversuch:

Sei U ⊂ ℝ offen. Jede offene Menge U lässt sich disjunkt in eine - möglicherweise überabzählbare- Vereinig∈g von offenen Zusammenhangskomponenten Zi⊂U, i∈I zerlegen. Das heißt U = ∪ Zi, i∈I.

Da die Zusammenhangskomponenten alle offen sind, gibt es für jedes x∈Zi zwei rationale Zahlen px,qx ∈ ℚ∩Zi, mit px<x<qx.

Also: ∀x∈U: Ix :=(px,qx)⊂Zi⊂Ui

Damit ist: U = ∪{x}, x∈U ->  ∪ Ix, x∈U -> ∪(px,qx), x∈U -> ∪(px,qx); px,qx∈ℚ∩U  eine abzählbare Vereinigung von offen Intervallen.

Ich hoffe diesmal, passt es besser.

Kann sein. Ein einfacherer Beweis geht so. Sei \(U\) offen und \(x\in U\). Dann gibt es ein \(\varepsilon>0\) mit \((x-\varepsilon,x+\varepsilon)\subset U\). Und da \(\mathbb{Q}\) dicht in \(\mathbb{R}\) liegt, gibt es ein \(r\in\mathbb{Q}\) mit \(r\in(x-\varepsilon,x)\) und ein \(s\in\mathbb{Q}\) mit \(s\in(x,x+\varepsilon)\). Man hat also $$\quad x\in(r,s)\subset(x-\varepsilon,x+\varepsilon)\subset U.$$ Mithin ist \(U\) einfach die Vereinigung aller offenen Intervalle mit rationalen Endpunkten, die in \(U\) liegen.

Dieser Beweis eignet sich hervorragend zur Uebertragung in einen allgemeinen metrischen Raum \((X,d)\) mit der verlangten Zusatzbedingung von oben.

So da morgen schon Übung ist, ein Versuch dein Konzept auf einem abstrakten metrischen Raum umzusetzen.

Ich fordere X soll eine dichte Teilmenge A haben, welche abzählbar ist. Statt offenen Intervallen nehme ich einfach Kugeln mit Mittelpunkt aus A und Radius aus ℚ+.

Sei U⊆X offen und x∈U. Dann gibt es wegen Offenheit ein ε>0 mit Bε(x)⊂U. Da A dicht in X liegt, gibt es ein r∈A mit r∈ Bε/2(x-ε/2) und ein s∈A mit s∈ Bε/2(x+ε/2). Nun findet man auch eine Kugel mit Radius d(r,s)/2 und Mittelpunkt (r+s)/2, wo x Element davon ist. (Man hat dann einfach die gleichen Teilmengenrelationen wie im Beweis von oben)

Mithin ist U einfach die Vereinigung aller offenen Kugeln mit rationalem Radius und Mittelpunkt in A.

So weit hätte ich mir das gedacht. Ein Problem hab ich trotzdem wer garantiert mir, dass d(r,s)/2 rational ist?

Reichlich daneben. Bε/2(x-ε/2) ist voelliger Quatsch, x ist ein Punkt aus dem metrischen Raum. Wie soll man denn da die reelle Zahl ε/2 von abziehen?

Fertige eine Skizze zu $$x\in B_{\varepsilon/3}(a)\subset B_{2\varepsilon/3}(a)\subset B_\varepsilon(x)\subset U\quad\text{fuer$\,\,\,\,\,d(a,x)<\varepsilon/3$}$$ an. Da kannst Du alle Details für einen sauberen Beweis dran ablesen.

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