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beim durchblättern eines Corporate Finance Lehrbuchs stieß ich auf einen Abschnitt, in dem der Effekt der Diversifizierung beschrieben wird. Dort wird von einem allgemeinen, nicht-diversifizierbarem sowie einem spezifischem, diversifizierbarem Risiko gesprochen. Der Unterschied: Bei einem allgemeinen Risiko besteht perfekte Korrelation zwischen Einzelrisiken, die bei einem diversifizierbarem Risiko nicht besteht. Das Buch führt folgendes Beispiel an:

Eine Stadt in der pro Jahr eine 1% Chance besteht, dass ein Haus ausgeraubt sowie eine 1% Chance, dass die Stadt von einem Erdbeben getroffen wird. Eine Versicherung schließt 100.000 Policen einer Diebstahlversicherung und 100.000 Policen einer Erdbebenversicherung ab. Nun soll der Effekt gezeigt werden, dass sich das allgemeine Risiko nicht diversifizieren lässt, dass spezifische Risiko hingegen schon. Es sei zu erwarten das 0,01*100.000 = 1.000 Häuser pro Jahr ausgeraubt werden. Ist dieser Wert hier als Erwartungswert der Zufallsvariable X="Anzahl der ausgeraubten Häuser" zu betrachten?

Nach Beschreibung des Szenarios quantifiziert das Lehrbuch die unterschiedliche Diversifizierbarkeit anhand der Standardabweichung des prozentualen Anteils der Schadensfälle (unter der Annahme, dass eine Wahrscheinlichkeit von 1% besteht, dass ein Haus ausgeraubt wird, und eine Wahrscheinlichkeit von 1%, dass ein Erdbeben eintritt). Am Ende des Jahres trat der Schaden entweder ein (100%) oder eben nicht (0%).

Zunächst wird die Standardabweichung eines Anspruchs für einen Hauseigentümer berechnet:

StandardabweichungHauseigentümer (Diebstahlversicherung) = √0,99*(0-0,01)2+0,01*(1-0.01)= 9,95%

StandardabweichungHauseigentümer (Erdbebenversicherung) = √0,99*(0-0,01)2+0,01*(1-0.01)2 = 9,95%

Mir fällt die Interpretation der Standardabweichung in diesem Kontext schwer. Mein Versuch: Im Finanzwesen ist die Standardabweichung ein Risikomaß. Die Wahrscheinlichkeit, dass mein Haus ausgeraubt bzw. von einem Erdbeben getroffen wird liegt bei 1%. Im Schnitt wird 1 von 10 betroffen sein. Oder eben 1.000 von 100.000 Häusern. Zur Quantifizierung des Risikos (Risiko=Schwankung um den erwarteten Wert von 1%) wird die Standardabweichung dieses erwarteten Wertes berechnet. Im Mittel schwankt die Wahrscheinlichkeit, dass mein Haus ausgeraubt oder von einem Erdbeben getroffen wird also um 9,95%. Diese Interpretation macht für mich aber keinen Sinn, da die Wahrscheinlichkeit 1%-9,95% = -8.95% negativ wäre.

Als nächstes wird das Risiko für die Versicherung berechnet.

Es wird geschrieben (frei übersetzt): Da das Risiko bei der Erdbebenversicherung allgemein und die Einzelrisiken somit perfekt miteinander korreliert sind, ist der Anteil der Ansprüche am Ende des Jahres entweder 0% oder 100%. Wie im Fall des Hauseigentümers.

Um die Standardabweichung für die Diebstahlversicherung zu berechnen schreiben die Autoren jedoch: "Wenn die Risiken unabhängig und identisch sind, wird die Standardabweichung des Durchschnitts als Standardfehler bezeichnet". Ich verstehe nicht,wieso im Fall der Diebstahlversicherung aus Versicherungssicht plötzlich der Standardfehler zur Quantifizierung des Risikos berechnet wird und nicht die Standardabweichung. Der Standardfehler ist für mich ein Maß, welches Informationen über die Güte eines Schätzers liefert. Ein niedriger Standardfehler des Mittelwertes liegt doch nahe, dass mein aus der Stichprobe geschätzter Mittelwert dicht um den wahren Mittelwert der Grundgesamtheit schwankt oder sehe ich das falsch?

Ich hoffe ich konnte mein Problem verständlich und nachvollziehbar schildern. Fragt gerne, falls etwas unklar ist. Ich habe das Vorgehen des Buchs auf das (hoffentlich) notwendige gekürzt.

Vielen Dank und einen schönen Sonntag

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