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Mathematikkenntnisse im vorigen Jahrtausend
Etwa seit der Jahrtausendwende hat sich schulischer Mathematikunterricht dramatisch verändert. Dies lässt sich unter anderem auch damit belegen, dass man vergleicht, was SuS einmal selbstverständlich abrufen konnten und heute überwiegend nicht mehr können:


Nützliche Formeln:
Diagonalenlänge im Quadrat,
Höhe im gleichseitigen Dreieck
Abstand Punkt/Ebene im Koordinatensystem.
Binomische Formeln auch für dritte Potenzen von Binomen.
Einige Summenformeln für häufige Zahlenfolgen und -reihen.


Zahlenfolgen:
Quadratzahlen bis 152.
Zweierpotenzen bis 210.
Einige pythagoreische Zahlentripel.
Potenzen a3 für a von 2 bis 10.


Heuristik:
Lösungsplan aufstellen.
Einheiten geschickt festlegen.
Planskizzen mit Benennungen anfertigen.
Anzahl der Variablen klein halten.
Nenner rational machen.


Rekursion:
Durchführung von Rekursionen
Darstellung von rekursiven Prozessen
Umwandlung rekursiver Darstellungen in explizite Darstellungen und umgekehrt.


Elementare Zahlentheorie:
Teilbarkeitsregeln.
Zerlegung in Primfaktoren.
Primzahlen bis 101.
Verfahren zur Bestimmung von ggT und kgV.


Logarithmus
Kenntnis der Definition lnb(a)=x⇔bx=a
Lösen von Exponentialgleichungen.

Spontanes Bestimmen von Logarithmen für Zahlen aus den Zahlenfolgen.


Ohne die Fähigkeit die genannten Gegenstände spontan abrufen zu können, erfolgt heute der Griff zum Taschenrechner, das Suchen in einer Formelsammlung oder Ratlosigkeit. Zum Glück gibt es bei Ratlosigkeit heute die Mathelounge.


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Quadratzahlen bis 15^2.

Bei uns noch 1 bis 25,

Sie wurden uns eingebläut wie die Mitternachtsformel.

Quadratzahlen waren bei mir im Gymnasium (1980er-Jahre, Nordwestschweiz) kein Thema. Der Lehrer sagte, entweder erkennt ihr die und dann findet ihr einmal eine Lösung etwas schneller, oder ihr habt eben länger, euer Problem, nicht meines. Der vertrat die Ansicht, man solle eigeninitiativ und selbständig lernen. Die Zweierpotenzen bis 64 kenne ich doch tatsächlich vom Blockflötenunterricht am Schulanfang, für die ganz kurzen Töne. Weiter bis zur zehnten Potenz lernte ich es auch nicht im Matheunterricht, sondern weil ich zehn Jahre später mit dem Apple 2 herumgespielt hatte, von denen eine Handvoll im Gymnasium herumstand (die Anschaffung wurde wohl auf Drängen der Wirtschaftslehrer von den Mathematiklehrern veranlasst, und zwar in einer Luxusversion mit 0,000032 GB Hauptspeicher). Diese Computer konnte man, wenn man cool sein wollte, anstatt in der Schweizer Errungenschaft Pascal in Assembler programmieren. Seither weiß ich auch, ganz ohne Zutun von Lehrkräften, dass der dezimale ASCII-Wert, der von der Esc-Taste erzeugt wird, 27 beträgt. Aber auch das hat sich bisher nicht lohnerhöhend ausgewirkt. Sich vertieft mit Technik zu beschäftigen ist Jugendlichen heute abhanden gekommen. Darum wurde der Raspberry-Pi erfunden, aber so wie ich das mitkriege, wird der in den Schulen ebensowenig verwendet wie damals der Apple. Man kann qualifizierte Arbeitsplätze ja nach China auslagern.


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Hallo Roland

Ich kann da schon so einiges nachvollziehen. Insbesondere die Einführung elektronischer Helferchen hat wohl für manche Schüler (aber auch Lehrkräfte) das "primitive Rechnen" und den Umgang mit Formeln scheinbar zur lästigen und unwichtigen Nebensache werden lassen.

Dass du aber als Überschrift vom "letzten Jahrtausend" sprichst, ist doch wohl ziemlich übertrieben, oder ?

Ihr vergesst dabei, dass Schüler heute dafür andere Sachen lernen müssen und dass wir in ganz

anderen hektischen Zeiten leben mit Ablenkungen ohne Ende.

Heute geht es darum, wie kann ich etwas schnell und effizient lösen unter Einsatz

aller techn Möglichkeiten und Infos aus dem Netz.

Ob das gut immer gut ist, ist eine andere Frage.

Es siegt die normative Kraft des Faktischen, leider auch immer öfter über die Menschlichkeit.

Das Lernen wird sich zwangsläufig weiter ändern müssen.

In wenigen Jahren wird alles obsolet sein.

Die Schule kommt da mMn nicht mit und kann es auch gar nicht.

Und von der Politik kann man auch nur Geld erwarten, die eigentlichen Probleme

vor Ort werden nicht wirklich gelöst z.T. nicht mal tangiert.

Wo sollen plötzlich die vielen guten Lehrer, KIndergarten-Betreuer herkommen?

Klingt oft so: Irgendwie kriegen wir das schon hin, wie genau wissen wir aber nicht.

Wird schon gutgehen, die Starken kommen durch, die Schwachen haben halt Pech

gehabt wie immer schon in der Evolution.

Mir scheint, dass hier die Vergangenheit verklärt wird. Ich habe von 1982 bis 2019 Mathe und Physik unterrichtet und habe festgestellt, dass in Klassen mit 25 Schüler*innen durchgehend ca. 5 Leute sehr interessiert und intelligent genug waren, um etwas tiefer in das jeweilige Thema einzusteigen.

In Klassen, in denen die Begabteren das Sagen hatten, war der Anteil noch deutlich höher. Und das waren oft Klassen, die ich erst im letzten Jahrzehnt unterrichtet habe.


1 Antwort

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Siehst du da die heutige SchülerInnenschaft nicht zu schwarz ?

Außerdem erscheint mir die Auswahl dessen,

"was SuS einmal selbstverständlich abrufen konnten"

doch etwas sehr optimistisch. Und ob das alles so

dringend abrufbar sein sollte, wäre sicherlich auch einer

Diskussion würdig.

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@ mathef: Jetzt weiß ich ganz sicher: Deine Schulzeit liegt in diesem Jahrtausend.

Ich muss mathef rechtgeben.

"was SuS einmal selbstverständlich abrufen konnten" kann ich für meine Schulzeit 70er/80er in keinster Weise bestätigen.

Nicht mal die Besten konnten das alles, was du da oben aufschreibst.

Warum wir an den Unis immer mehr Probleme haben liegt zum großen Teil daran, dass immer mehr studieren. Früher waren es die obersten 10%, z.Z. sind wir bei über 50% eines Jahrgangs.

Meine Erinnerungen beziehen sich auf die Zeit 1953 - 1966 als Schüler und dann wieder 1971 - 2009 als Lehrer. Irgendwann zum Jahrtausendwechsel hat sich nach meinem Eindruck Schulmathematik fundamental verändert. Wenn du das anders erlebt hast, will ich das gerne glauben. Es geht ja nur um persönliche Erfahrungen.

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