Die modern-algebraische Perspektive ("Gruppen sind genau dadurch bestimmt, wie sie auf Objekten wirken, und Multiplikation steht grundsätzlich für Hintereinanderausführung") gibt eine weitere mögliche intuitive Denkweise, über die Division von Brüchen nachzudenken. Ich benutze sie gerne in Vorkursen und merke, dass das in der Schule selten verinnerlicht wird:
Ein Bruch \(\frac{a}{b}\) (und wir sagen zur Vereinfachung, dass er nicht \(0\) ist) stellt klassisch den Prozess dar, eine Masse um \(a\) zu vervielfachen und in \(b\) gleichmassige Stücke zu teilen. Das sind zwei Dinge, die passieren.
Es ist unerheblich, was von beidem zuerst passiert, die Vervielfachung oder die Teilung. Das ist überhaupt erst der Grund, wieso wir \(\frac{a}{b}\) schreiben dürfen, als wäre es ein Prozess anstelle von zwei. Das kann man sich an einem Bild vorstellen, in dem ein Quadrat erst zu einem Rechteck von links nach rechts vervielfacht und dann in Streifen von oben nach unten geschnitten wird. Jenachdem, ob man zuerst vervielfacht oder zuerst teilt, bekommt man eine um 90° gedrehte kongruente Figur des jeweils anderen.
Nun ist es genau die Division (oder moderner: "Umkehroperation"), die die Rückgängigmachung eines Prozesses darstellt, während die Multiplikation die Hintereinanderausführung beschreibt.
Wie kehren wir "Um \(a\) vervielfachen und dann in \(b\) Stücke teilen" um? Ganz intuitiv: "Um \(a\) vervielfachen, dann in \(b\) Stücke teilen, dann um \(b\) Vervielfachen und dann in \(a\) Stücke teilen" ist ein sehr langer Satz, der das Nichtstun bezeichnet. Die Teilung in \(b\) Stücke wurde sofort danach zunichte gemacht, was übrig bleibt ist eine Vervielfachung gefolgt von einer Teilung, die auch keine Wirkung zeigt. Wir folgern, dass \(\frac{b}{a}\) den Umkehrprozess zu \(\frac{a}{b}\) darstellt, oder anders gesagt: \(x\text{ }: \frac{a}{b} = x\cdot\frac{b}{a}\) für beliebige geeignete \(x\).
Drei Tage später im Vorkurs erkennen die Studis dann sofort den folgenden Beweis für beliebige Gruppen wieder: \((ab)^{-1}=b^{-1}a^{-1}\), denn \((ab)(b^{-1}a^{-1})=a(bb^{-1})a^{-1}=aa^{-1}=e\). Ist auch ein schöner Aha-Moment, Wissen aus der fünften Klasse sofort auf einer höheren Ebene in die Uni zu transferieren.